Parlamentarischer Abend zum BTHG

E-TRansparent mit den Logos der VeranstalterWie breit die Kritik und wie konkret die drohendem Verschlechterungen beim Bundesteilhabegesetz ausfallen können, wenn der Gesetzentwurf nicht entscheidend nachgebessert werden kann, das zeigte sich auf beeindruckende Weise am 19. Oktober beim Parlamentarischen Abend des Paritätischen und der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) in der Parlamentarischen Gesellschaft in Berlin.
Allein schon die Tatsache, dass die einrichtungs- und wohlfahrtskristische ISL zusammen mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband gemeinsam zu einem Parlamentarischen Abend zum Bundesteilhabegesetz einlädt, mache deutlich, wie breit die Kritik am vorliegenden Gesetzentwurf zum Bundesteilhabegesetz ist. Dies betonte die Geschäftsführerin der ISL, Dr. Sigrid Arnade, am Ende ihrer Moderation des über einstündigen offiziellen Programms. Zuvor hatte bereits Dr. Rolf Rosenbrock als Vorsitzender des Gesamtverbandes des Paritätischen in seiner Begrüßung und Werner Hesse, Geschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbandes deutlich gemacht, wo die Knackpunkte beim Bundesteilhabegesetz liegen und welche Belastungen dabei für die Betroffenen und Einrichtungen entstehen. Allein die vorgesehene Regelung, dass Leistungen angemessen sind, wenn sie von Trägern aus dem unteren Drittel der Anbieter kämen, gebe zu denken, wohin das führen soll und dass es hier um ein Spargesetz geht.

Horst Frehe warf in seinem Statement zum Änderungsbedarf beim Bundesteilhabegesetz seine vielfältigen  Erfahrungen als ehemaliger Staatsrat für Soziales in Bremen, als langjähriger Sozialrichter und als Sprecher des Forums behinderter Juristinnen und Juristen, das schon vor Jahren einen eigenen Gesetzentwurf zur Sozialen Teilhabe vorgelegt hatte, ins Gewicht. Am Beispiel der Diskussion um die Assistenz für ehrenamtlich Tätige machte er die starre Haltung der Bundesregierung deutlich. Obowohl sich der sonst von Bundesseite so oft gescholtene Bundesrat eindeutig für die Assistenz ehrenamtlich Tätiger in seiner Stellungnahme ausgesprochen habe, lehne die Bundesregierung diesen Vorstoß weiterhin ab. "Unter den vorgesehenen Bedingungen hätten wir beispielsweise im Forum behinderter Juristinnen und Juristen so nicht arbeiten können, weil einige von uns auf Assistenz angewiesen sind", zeigte Horst Frehe ganz praktisch auf. Auch im Bereich des Zwangspoolens und bei der vorgesehenen 5 aus 9 Regelung zeigte der renommierte Jurist anschaulich auf, was diese Regelungen bedeuten würden.

Das Herz der Veranstaltung bildeten jedoch die fünf Kurzstatements mit Beispielen aus der Praxis von Menschen mit Behinderungen. Thomas Künneke von den Kellerkindern machte als selbst Betroffener anschaulich deutlich, was es für Menschen mit psychischen Herausforderungen bedeuten würden, wenn diese zukünftig an der 5 von 9 Regelung scheitern und erst Hilfen bekommen würden, wenn es oft schon zu spät sei. Er schilderte die Entwicklung einer jungen Frau, die es geschafft habe, ihre psychischen Herausforderungen soweit anzunehmen, dass sie eine Ausbildung machen konnte. Wenn es ihr nun besser gehe, sie aber nicht immer wieder Hilfe bekomme, wenn sie diese brauche, könne dies leicht zusammen brechen. Andreas Bethke schilderte die Situation einer sehbehinderten Frau, die nach zwei Berufsausbildungen ein Studium geschafft hat. Das wäre nach dem neuen Gesetz so nicht mehr möglich. Da wären die Regelungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BaföG) sogar noch kulanter betonte Andreas Bethke sehr anschaulich.

Jenny Bießmann zeigte anhand des Zwangspoolens auf, dass dies erhebliche Einschränkungen für ihren Alltag haben würde und ihre Selbstbestimmung erheblich einschränken würde. Auch ihr ehrenamtliches Engagement sei so nicht mehr ohne die Assistenz möglich, wenn die SachbearbeiterInnen das Gesetz nach dem derzeitigen Stand konsequten umsetzen müssten. Ein Vater eines Sohnes mit einer sogenannten geistigen Behinderung machte deutlich, wie bereits jetzt der Grundsatz Pflege vor Eingliederung das Leben seines Sohnes dominiere. Wenn sie ihn nicht regelmäßig wochenends aus der Einrichtung nach Hause holen würden, gäbe es so gut wie keine Möglichkeiten am Leben außerhalb der Einrichtung teilzuhaben. Und dieser Grundsatz des Vorrangs der Pflege vor der Eingliederung solle nun auch noch gesetzlich verfestigt werden, das mache ihm erhebliche Sorge. Auch für Dienste und Einrichtungen ergäben sich konkrete Probleme, wenn beispielsweise die Kosten für die Unterkunft nach dem neuen Regelsystem nicht mehr adäquat gedeckt seien. Dies betonte eine Mitarbeiterin eines Leistungsanbieters. Hier könnten die behinderten Menschen am Ende leicht auf der Strecke bleiben, wenn dies schlecht geregelt werde. Ein Film des Paritätischen Brandenburg zeigte zudem auf, was es bedeuten könne, wenn man später neu begutachtet werden muss.

Die Bundesbehindertenbeauftragte Verena Bentele rundete die Veranstaltung mit ihrem Statement ab, indem sie deutlich machte, dass es nicht nur darum gehe, dass es denjenigen, die jetzt schon Hilfen bekommen, nicht schlechter gehe. Sie sei auch die Behindertenbeauftragte von Menschen, die zukünftig behindert werden und für diese dürfe es ebenfalls keine Verschlechterungen geben. Dafür müssten wir uns alle gemeinsam einsetzen. Die Diskussion mit den Abgeordneten zeigte anschließend, dass der Informationsbedarf der Abgeordneten immer noch enorm groß ist. Sie beziehen ihre Informationen bisher häufig hauptsächlich aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Sowohl die SPD als auch die CDU/CSU Fraktion sei derzeit damit beschäftigt, Listen für die Verhandlungen der beiden Fraktionen mit konkreten Änderungspunkten zu entwickeln. Einiges davon sei deckungsgleich, hieß es. Daher plädierte Verena Bentele erneut, dem Struckschen Gesetz auch beim Bundesteilhabegesetz zum Durchbruch zu verhelfen, dass kein Gesetz den Bundestag so verlässt, wie es zu ihm kam. Und zu ändern gibt es eine ganze Menge, wie dieser Parlamentarische Abend aufgezeigt hat.