Würzburger Sonderpädagogen verteidigen Sondersysteme

Porträt von Michael Gerr (c) ISLMichael Gerr, Vorstandmitglied der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL) hat eine Stellungnahme des Instituts für Sonderpädagogik der Universität Würzburg kritisiert: „Die Sonderpädagogik-Professoren verteidigen die bestehenden ausgrenzenden Sonderschulen, ohne es offen auszusprechen“, so Gerr. Das Würzburger Institut hatte in seiner Stellungnahme behauptet, man habe schon immer im Sinne der UN-Behindertenrechtskonvention und im Interesse behinderter Menschen gearbeitet.

 

Ferner wurde die Sektion Sonderpädagogik der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft (DGFE) angegriffen, durch die sich die Würzburger nicht vertreten fühlen. Die DGFE hatte sich für ein länderübergreifendes und planvolles Vorgehen zur Umsetzung der Konvention mit klaren zeitlichen Verpflichtungen ausgesprochen. Außerdem müssten nach Vorstellungen der DGFE  die Lehrkräfte für die professionelle Umsetzung eines inklusiven Unterrichts und der entsprechender Diagnostik ausgebildet werden. Die Lehrerbildung an den Universitäten müsse deshalb umgestellt werden.

Die Würzburger Sonderpädagogen sehen dies aber ganz anders und verweisen dazu auf zwei Artikel der Konvention: Art. 5 Abs. 4 (besondere Maßnahmen, die zur … Herbeiführung der tatsächlichen Gleichberechtigung von Menschen mit Behinderungen erforderlich sind, gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens) und Art. 7 Abs. 2 (Vorrang des Kindeswohls). Aus diesen Bestimmungen sei die Finanzierung von Sonderschulen abzuleiten. Eine Ausbildung aller Lehramtsstudierenden im Hinblick auf die Berücksichtigung von Vielfalt und Individualität, wie sie die DGFE fordert, sei zwar wünschenswert. Unverzichtbar aber sei die Vertiefung von sonderpädagogischen  Förderschwerpunkten.

„Wer die defizitorientierte Sonderpädagogik als unverzichtbar und inklusive Ansätze nur als wünschenswert bezeichnet, beweist, dass die Bekenntnisse zur UN-Behindertenrechtskonvention bloße Lippenbekenntnisse sind“, kommentiert Michael Gerr. Einen Ansatz, wie sie denn ein inklusives Schulsystem erreichen wollen, haben die Würzburger Uni-Professoren nicht, offensichtlich ist es nicht gewollt.“ Die angebliche Wahlfreiheit in Bayern führe nur dazu, so Gerr, dass Ressourcen weiterhin in die Sonderschulen gepumpt werden, die an den Regelschulen fehlen.