Aufklärung über Multiple Sklerose
Hamburg (kobinet) Hertha-Margarethe Kerz ist seit 20 Jahren an Multiple Sklerose erkrankt, lebt und arbeit als Industriejournalistin, Presseseminarleiterin, Pressearbeiterin und Buchautorin in Hamburg. Als Inklusionsbotschafterin möchte sie über diese Krankheit aufklären. kobinet-Redakteur Ottmar Miles-Paul führte mit ihr folgendes Interview über ihr Wirken.
kobinbet-nachrichten: Sie sind Journalistin und leben seit 20 Jahren mit Multiple Sklerose. Was bedeutet das konkret für Ihren Alltag?
Hertha-Margarethe Kerz: Mit einer Behinderung wird der Behinderte oft auf diese reduziert, anstatt dass sie als das gesehen wird, was sie ist – ein Teil desjenigen Menschen. Tatsächlich muss ich mir morgens überlegen, wie ich den Tag organisiere, da ich mir meine Kräfte einteilen muss. Denn meine Tätigkeit als Inklusionsbotschafterin ist ehrenamtlich. Daneben arbeite ich Vollzeit als freie Journalistin.
Es bedeutet andererseits, dass ich oft durch Gesunde und gesunde Kunden beschämt werde. Zweifel an meiner beruflichen Zuverlässigkeit stehen im Raum. In einem Kundengespräch wünschte mein Gegenüber meine Dienstleistung nicht, weil er fürchtete, es könne seinem Geschäft schaden.
Nichtbehinderte verstehen oft nicht, dass man trotz einer Einschränkung glücklich sein kann. Lachen und Freude werden als das Überspielen eines "unerträglichen Zustandes" abqualifiziert, Alltagsärger als Ausdruck der Wut und Verzweiflung seiner Situation gegenüber.
kobinet-nachrichten: Als Inklusionsbotschafterin haben Sie sich auf die Fahnen geschrieben, Aufklärung über die Möglichkeiten für ein Leben mit Multiple Sklerose zu betreiben. Was ist Ihnen dabei besonders wichtig?
Hertha-Margarethe Kerz: Gerade frisch Diagnostizierte befinden sich in einem psychischen Ausnahmezustand. Sie spüren Angst, Wut, Verleugnung, Scham, Trauer... Die Gefühlspalette ist extrem umfangreich. Es ist wichtig, dass sie verstehen, dass diese Gefühle nicht nur normal sind, sondern dass sie sie durchleben müssen, um ihre Krankheit akzeptieren zu können.
Ich möchte Erkrankte an meinen Erfahrungen teilhaben lassen, damit sie zielstrebig weiter durch ihr Leben schreiten können, anstatt sich beugen zu lassen. Die medizinische Versorgung ist schon gut in Deutschland, aber für die Fragen, die das Umfeld des Erkrankten betreffen, gibt es wenige Anlaufstellen: Werde ich weiterarbeiten können? Wie sieht es in der Familie aus? Muss ich mein Leben umstellen? Kann ich weiter studieren? Das sind elementare Fragen der Existenz – und je früher diese beantwortet werden, desto schneller kann der MSler sein normales Leben wieder aufnehmen.
Aber ich möchte auch medizinisches Personal über den Umgang mit Multiple-Sklerose-Kranken informieren. Multiple Sklerose ist eine besondere Krankheit, die eine besondere Behandlung erfordert.
Und nicht zuletzt möchte ich Firmenvertreter informieren, wie sie mit Behinderten in ihrem Betrieb Firmenerfolge erzielen und sie überzeugen, dass Behinderte bei weitem keine Belastung für die Belegschaft sind.
kobinet-nachrichten: Sie haben schon einige Veranstaltungen zum Leben mit Multiple Sklerose geplant, wann und wo finden diese statt und welche Fragen sollen dabei im Mittelpunkt stehen?
Hertha-Margarethe Kerz: Die ersten drei Veranstaltungen fanden in Hamburg-Bramfeld statt. Hier ging es um Fragen der medizinischen Versorgung und wie sich Erkrankte darin zurechtfinden um auf sie persönlich zugeschnittene Behandlungen zu finden und es ging um die Frage, wie man nach der Diagnose agieren muss, um für sich einen Weg zu finden, mit der Erkrankung zurecht zu kommen. Die kommenden Veranstaltungen beschäftigen sich mit der kognitiven Leistungsfähigkeit oder deren Einschränkungen, mit Störungen des Gedächtnisses oder Ernährungsfragen. Es gibt viele Themen, die bezüglich der Multiple Sklerose angesprochen werden müssen.
Für Bramfeld sind noch eine Reihe Termine geplant, die unter www.ms-alles-auf-sieg.de eingesehen werden können.
Ein ganz wichtiger Termin wird am 24. Oktober 2015 um 11.00 Uhr bei der Behinderten Arbeitsgemeinschaft Harburg, Seeveplatz 1, 21073 Hamburg, stattfinden. Der Veranstalter: Die BAG Harburg e.V. im Marktkaufcenter Hamburg-Harburg. Die Räumlichkeiten sind barrierefrei. Auch über diesen Termin finden Interessierte Informationen auf der Homepage.
In dem Vortrag geht es um die medizinische Versorgung von Multiple-Sklerose-Kranken: Ärzte, Physiotherapie, Reha, Psychotherapie, Persönliche Beratung - Freie Arztwahl, freie Therapiewahl, freie Rehaeinrichtungswahl - Den Dschungel der Hilfen und Angebote optimal für sich nutzen
kobibnet-nachrichten: Wenn Sie zwei Wünsche im Zusammenhang mit Ihrem Wirken als Inklusionsbotschafterin frei hätten, welche wären das?
Hertha-Margarethe Kerz: Ich wünsche mir Informationen zu weiteren barrierefreien Räumen für meine Vorträge – kostenfrei oder für kleines Geld – einmalig oder (un)regelmäßig – in der Woche oder am Wochenende und ich wünsche mir Hilfe durch die Medien, um mein Angebot bekannter zu machen.
kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg bei Ihren Aktivitäten.