Sascha Lang kämpft für die Arbeitsassistenz
Bad Segeberg: Seit 2013 wohnt der Inklusionsbotschafter Sascha Lang nun schon mit seiner Familie in Schleswig-Holstein und seit dem befindet er sich als Person mit einer Behinderung in einem zermürbenden und existenzgefährdenden Streit mit dem zuständigen Integrationsamt in Kiel um die Finanzierung seiner Arbeitsassistenz als Selbständiger. Im folgenden schildert der engagierte Künstlermanager, Eventveranstalter, Künstlervermittler und Medienproduzent seine Erfahrungen.
Bericht von Sascha Lang
2008 startete ich, Sascha Lang, blind, meine Selbstständigkeit als Künstlermanager, Eventveranstalter, Künstlervermittler und Medienproduzent in Deutschland. Jährlich wuchs mein Umsatz, den ich in Deutschland und Luxemburg generiere. Von 2005-2013 wohnte ich in Trier und war nebenbei noch in Luxemburg als Beamter tätig. 2012 fragte ich beim Integrationsamt Trier eine Arbeitsassistenz an. Parallel, und aufgrund der Tatsache, dass ich noch eine Familie zu ernähren hatte, war ich in Luxemburg auf 75 Prozent als Beamter beschäftigt. Eine Tätigkeit, die durch meinen Ehrgeiz geprägt, mich nie ganz ausfüllte. Trotz der 75 prozentigen Beschäftigung ist es so, dass ich nebenher in den genannten selbständigen Bereichen täglich weiter gearbeitet habe. 2013 entschlossen meine Familie und ich nach Bad Segeberg zu ziehen. Persönliche Gründe spielten hier eine Rolle, aber auch die Nähe zu den Medienmetropolen und Musikstätten Berlin und Hamburg flossen in die Entscheidung mit ein.
Damit verbunden reduzierte ich meine verbeamtete Stelle freiwillig auf 50 Prozent und arbeitete je eine Woche in Bad Segeberg und die andere Woche in Luxemburg. Mein Antrag auf Arbeitsassistenz, den ich dann Anfang 2014 in Kiel beim Integrationsamt stellte, wurde abgelehnt. Rheinland-Pfalz gewährte mir die Assistenz, Schleswig-Holstein lehnte diese ab. Beide Bundesländer beziehen sich auf das gleiche Gesetz. Im ersten Antrag waren 13 Stunden Arbeitsassistenz die Woche angefragt. Für meine Unterstützung schaltete ich die RBM (Rechtsberatung behinderter Menschen) in Marburg ein. Michael Richter steht mir seitdem zur Seite. Wir klagten uns durch alle Instanzen, bis zum Bundesverwaltungsgericht.
Am 31.12.2016 nahm ich mir in Luxemburg einen unbezahlten Urlaub aus meinem Beamtenjob um erstens mehr bei meiner Familie zu sein, zweitens größere Flexibilität in den Reisen zu haben und drittens mich Vollzeit auf meine Selbstständigkeit zu stürzen, die immer mehr Engagement abverlangte. Im neuen Antrag vom Januar 2017 erhöhte ich den Bedarf für die Arbeitsassistenz auf 30 Stunden die Woche. Auch dieser Antrag wurde abgelehnt und man verwies mich auf den noch laufenden Fall vor Gericht. Das Bundesverwaltungsgericht wird sich laut eigenen Angaben bis Januar 2018 mit dem Fall beschäftigen.
Hier eine Erörterung der Sachlage durch Michael Richter:
„Bei dem nun vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängigen Streitverfahren des Herrn Lang geht es im Wesentlichen um die Frage, in wie weit Integrationsämter bei der Gewährung von selbstorganisierter Arbeitsassistenz ein Ermessen ausüben dürfen oder nicht. Im vorliegenden Fall hat das zuständige Integrationsamt Schleswig-Holstein – anders als das wegen eines Wohnortwechsels zuvor zuständige Integrationsamt in Rheinland-Pfalz – ein vermeintliches Ermessen dahingehend ausgeübt, als es eine Arbeitsassistenz für eine selbstständige Tätigkeit für nicht erforderlich gehalten hat. Zur Begründung dieses Ergebnisses bei der, dem Integrationsamt vermeintlich zustehenden, Ermessensausübung verwies es auf eine zuvor durch den Kläger ausgeübte Tätigkeit als Beamter in Luxemburg, für die ja schließlich auch keine Arbeitsassistenz notwendig gewesen wäre. Konsequenterweise argumentiert das ablehnende Integrationsamt also, dass ein schwerbehinderter Mensch nur die Tätigkeit ausüben dürfe, bei der möglichst wenig Arbeitsassistenz in Anspruch zu nehmen ist. Die anstehende Entscheidung wird über die Frage, ob für Integrationsämter ein Ermessen bei der Mittelgewährung für Arbeitsassistenzen nun entscheiden müssen, ob Integrationsämter die jeweils notwendige Arbeitsassistenz (so der Wortlaut des einschlägigen § 102, Abs. 4 SGB IX) für die jeweils gewählte Erwerbstätigkeit gewähren muss, oder ob Integrationsämter generell die Mittel nach eigenen Erwägungen (z.B. Wirtschaftlichkeit des Mitteleinsatzes, selbstverschuldeter Bedarf, richtige Berufswahl, etc) Hilfen gewähren dürfen. Im zweiten Fall wäre also mit der eines Ermessens die freie Berufswahl für schwerbehinderte Erwerbstätige wohl erheblich eingeschränkt“.
Mein Unternehmen ist sehr erfolgreich. Wir betreuen derzeit fünf Künstler im Management mit über 350 Auftritten im Jahr. Seit August 2017 vertreten wir über 40 Künstler im Bookingbereich. Wir feierten einige Radio-, TV-Hits und Charterfolge. Sieben eigene Veranstaltungen sind bis April 2018 geplant. Wir arbeiten derzeit an 2 Ausstellungen zum Thema "Space mit allen Sinnen". Wir sind weiterhin in Luxemburg und Deutschland tätig. Zu einem persönlichen Treffen hat mich das Integrationsamt Kiel seit 2014 nicht eingeladen. Die Ablehnung beruht also nur auf Unterlagen, mit der Person dahinter wird sich nicht beschäftigt. Mir wird als Person mit Behinderung trotz bestehender UN-Behindertenrechtskonvention das Recht zur freien Berufswahl durch das Integrationsamt genommen. Ich fühle mich massiv eingeschränkt. Meine finanzielle Existenz ist bedroht, da meine Einnahmen teilweise auch zur Finanzierung der Assistenz ausgegeben werden. Ich werde am Wachstum gehindert, denn mein Ziel ist es, weitere Mitarbeiter einzustellen und neue eigene Ideen zu entwickeln. Warum wird der Unternehmergeist von Menschen mit Behinderung nicht unterstützt? Warum hat der Gesetzgeber überhaupt in dem von Herrn Richter genannten Paragrafen ein Ermessensspielraum gelassen? Wenn ich mir die Aussagen der Vertreter vom Sozialministerium Kiel auf der Zunge zergehen lasse, frage ich mich: welches Recht nehmen sich die Damen und Herren heraus? Da sagte eine Rechtsvertreterin allen Ernstes zu mir: "Herr Lang, Sie haben doch in Luxemburg so einen tollen Job und verdienen gut Geld, was wollen Sie denn eigentlich?"
Ich wünsche mir, nicht nur für mich, dass wir diesen Fall positiv für uns entscheiden. Denn daran gekoppelt ist auch die Anerkennung der freien Berufswahl für Menschen mit Behinderung und somit, im Falle eines positiven Bescheids, die Anerkennung meiner Selbstständigkeit. Danach dürfte ich dann auch Anträge auf Kostenübernahme von zusätzlichen behindertenspezifischen Fortbildungen stellen.