Anmeldefrist für Stiftung Anerkennung und Hilfe verlängert

Köln (kobinet) Sie wurden geschlagen, zum Essen gezwungen und mit Psychopharmaka ruhiggestellt. Menschen, die als Kinder oder Jugendliche in den 50er- bis 70er-Jahren in Einrichtungen der Behindertenhilfe oder in psychiatrischen Kliniken lebten, haben oft unfassbares Leid und Unrecht erfahren. Viele von ihnen leiden bis heute unter den Folgen der seelischen und körperlichen Grausamkeiten. Die von Bund, Ländern und Kirchen errichtete Stiftung Anerkennung und Hilfe zahlt betroffenen Menschen Geld zur Linderung der Folgewirkungen. Auch wer arbeiten musste, ohne dass Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden, kann finanzielle Leistungen erhalten. Die Anmeldefrist wurde nun von den Fondserrichtern um ein Jahr verlängert. Bis zum Ende des Jahres 2020 können sich Betroffene nun bei den Anlauf- und Beratungsstellen der Stiftung melden. Darauf macht der Landschaftsverband Rheinland (LVR) aufmerksam.
"Die Verlängerung der Anmeldefrist ist aus unserer Sicht ein unbedingt notwendiger Schritt", sagt LVR-Jugenddezernent Lorenz Bahr. "Viele Menschen haben sich noch nicht bei uns gemeldet. Ihnen wollen wir Zeit geben, diesen Schritt zu machen. Außerdem wollen wir versuchen, das Angebot in der verbleibenden Zeit noch bekannter zu machen", so Bahr weiter. Für alle Menschen, die heute im Rheinland leben, ist die Anlauf- und Beratungsstelle beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) die richtige Adresse. Unter der Telefonnummer 0221 809-5001 und auf der Internetseite www.anerkennung-hilfe.lvr.de erhalten sie alle Informationen. Betroffene bekommen eine pauschale Geldleistung in Höhe von 9.000 Euro zur Anerkennung von erlittenem Unrecht und zur Linderung der Folgewirkungen. Wer in den Einrichtungen sozialversicherungspflichtig gearbeitet hat, ohne dass Sozialversicherungsbeiträge gezahlt wurden, erhält darüber hinaus eine einmalige Rentenersatzleistung von bis zu 5.000 Euro.
Die Stiftung Anerkennung und Hilfe schätzt, dass rund 3.300 Menschen in Nordrhein-Westfalen Leistungen erhalten können. Rund 1.100 Menschen aus dem rheinischen Landesteil haben sich bis heute bei der Anlauf- und Beratungsstelle des LVR gemeldet. 770 von ihnen haben bisher fast sieben Millionen Euro aus der Stiftung erhalten. Hiervon wurden rund 5,1 Millionen Euro als Anerkennung für erlittenes Unrecht und die Linderung der Folgewirkungen gezahlt. Über 1,8 Millionen Euro sind Rentenersatzleistungen, wie der LVR mitteilte.
Die Inklusionsbotschafter Josef Ströbl und Martin Hackl, die selbst Unrecht und Leid in Behinderteneinrichtungen erleben mussten, begrüßen die Verlängerung der Antragsfrist um ein Jahr, denn sie und andere Betroffene hatten dies gefordert. Die beiden, die wissen, wie schwierig es sein kann, sich mit der Vergangenheit auseinander zu setzen und einen entsprechenden Antrag zu stellen, wünschen sich, dass die vielen Betroffenen, die noch nichts von der Möglichkeit der Stiftung wissen, darüber informiert und bei der Antragstellung unterstützt werden.
Bis Ende November 2018 haben sich bundesweit rund 10.300 Betroffene beziehungsweise deren Vertretungen an die Beratungsstellen der Stiftung "Anerkennung und Hilfe" gewandt. Das geht aus einer Antwort (19/7009) der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage (19/6498) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervor. Die Stiftung hat im Jahr 2017 ihre Arbeit aufgenommen, um ein Hilfesystem für Kinder und Jugendliche zu errichten, die in Einrichtungen der Behindertenhilfe sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie untergebracht waren und dort Opfer von Gewalt und Missbrauch wurden. In der Antwort heißt es weiter, dass bisher an knapp 4.200 Menschen finanzielle Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen gezahlt wurden, die sich auf rund 46 Millionen Euro belaufen.