Ist die Pflege in Deutschland gerecht?
Am 9. November 2018 verabschiedete der Deutsche Bundestag das Pflegestärkungsgesetz, eines der gesundheitspolitischen Großprojekte der Großen Koalition. Ob dieses Gesetzesvorhaben das Pflegepersonal stärkt ist noch fraglich und an einigen Stellen des Gesetzes ergeben sich noch große Gesetzeskrater, die gestopft werden müssen. Das Gesetz tritt am 1.1.2019 in Kraft. Die Inklusionsbotschafterin Diana Hömmen fragt sich daher in ihrem Kommentar zu diesem Gesetz, ob die Pflege in Deutschland gerecht ist.
Bei den Neuregelungen in der Altenpflege sind bundesweit 13.000 neue Stellen angekündigt, eindeutig zu wenig. Diese Zahl verpufft im nirgendwo! Die Digitalisierungskosten in den Altenheimen sind für den Weg in eine digitale Pflege viel zu wenig, ebenso die Weiterbildungskosten fürs Personal. Ein richtiger Schritt ist, dass die Pflegepersonalkosten von 2020 an aus den Fallpauschalen herausgenommen werden. Nur bleibt die Frage offen, ob die Ersparnis die in der Fallpauschale entsteht, wirklich der Patientenversorgung zufließt. Die Kliniken werden durch ein spezielles Pflegebudget nicht mehr aus wirtschaftlichen Gründen Pflegekräften einsparen können. Mal sehen was die Kliniken im Oldenburger Münsterland davon halten? Zurzeit stehen sie dem Gesetz befremdlich gegenüber. Ob die Finanzierung bei den meisten Bestimmungen von der gesetzlichen Krankenversicherung getragen wird, sehe ich kritisch. Eigentlich ist der Staat für eine gute Versorgung in der Pflege zuständig, damit sind die Lohnkosten aus Steuergeldern zu zahlen. Weil es alle angeht! Die jetzige Regelung verbirgt die Gefahr, dass die Kassenbeiträge steigen werden und wieder die zur Kasse gebeten werden, die eh zu wenig haben.
Ab dem Jahr 2000 wurden Pflegestellen bewusst gestrichen, von der Arbeitgeberseite, das recht sich heute. Heute muss man das Potenzial zurückgewinnen, welches die Pflege aus Protest verlassen hat. Ein Erfahrungsschatz, der sich lohnt, zurück zu erobern und am Krankenbett fehlt. Die Veränderungen sind nicht wirklich angepackt worden, um Arbeitsbedingungen zu verändern. Die Folgen sind weiterhin eine zu hohe Arbeitsbelastung mit der Folge eines hohen Krankenstandes und eines frühzeitigen Ausscheidens von Pflegekräften aus dem Beruf. Arbeitgeber haben es jahrelange versäumt, Gegenmaßnahmen einzuleiten, somit haben sie selbst für die Verschärfung des Mangels an Pflegekräften und zu weiter steigenden Belastungen für die verbliebenden Kräfte gesorgt. Das Gesetz muss zeigen, ob es spürbare Entlastungen im Alltag der Pflegekräfte durch Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen in der Kranken- und Altenpflege erreicht wird, um die Pflege und Betreuung der Patienten sowie Pflegebedürftigen weiter zu verbessern.
Die vergessene ambulante Pflege
Die ambulante Pflege ist komplett vergessen worden. Hier zeigt sich, dass der Staat komplett versagt. Im Pflegestärkungsgesetz kann ich keine Ansätze für die ambulante Pflege finden, das treibt die Pflegenden auf die Barrikaden, zu Recht. Was nützen Verbesserungen im stationären Bereich, wenn die Versorgung danach nicht sichergestellt werden kann. Das Monopolyspiel in den ambulanten Pflegenotstand geht weiter und Wege aus der Ungerechtigkeit gibt es nicht. Verlierer in dem Spiel sind Menschen mit Behinderung und chronischen Erkrankungen. In Niedersachsen haben sich mehr als 15 Pflegedienste zusammengeschlossen, um auf den Personalnotstand hinzuweisen, gerade der ländliche Raum ist davon besonders betroffen.
1. Sie bekommen kaum Pflegepersonal
2. Schlechte Bezahlung
3. Die Politik schaut weg.
Jedes Bundesland hat eine andere Entgeltordnung, da liegt bei der Bezahlung Niedersachsen im unteren Mittelfeld. Niedersachsen (+Anfahrt) 8,53 Euro zum Vergleich Hamburg (+Anfahrt) 19,61 Euro. Wo bleibt da die Gerechtigkeit, schadet der Föderalismus einer gerechten Bezahlung in der ambulanten Pflege? Die ambulante Pflege wird aus der Pflegekasse bezahlt, seit der Einführung habe ich immer gesagt, dass es so nicht in der ambulanten Pflege funktioniert. Nun bricht die ambulante Pflege komplett zusammen, weil sie durch die Pflegekasse nicht ausreichend bezahlt wird. Eigentlich sollte der Grundsatz doch lauten: ambulante vor stationärer Pflege. Anscheinend ist es gerade umgekehrt. In Niedersachsen fehlt in der ambulanten Pflege die soziale Gerechtigkeit, im ambulanten Pflegedienstbereich zumindest scheint es sie auf mehreren Ebenen gar nicht zu geben. Unsere Landes- und Bundespolitiker wiederholen immer wieder: „Deutschland hat das beste Gesundheitssytem der Welt.“
Ein Spiegelbild der Ironie: Es kann doch nicht sein, dass in der ambulanten Pflege, wo es aufgrund von Personalmangels zu Kündigungen von bestehenden Verträgen kommt, Patienten erst gar nicht aufgenommen werden. Viele Angehörige fühlen sich vom Staat betrogen und das zu recht.