Was macht Rose Jokic?

Rose JokicKöln (kobinet) Die Inklusionsbotschafterin Rose Jokic aus Köln engagiert sich auf vielfältige Weise für die Inklusion und unterstützt dabei auch behinderte Menschen im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der Unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) des Kölner Zentrums für selbstbestimmtes Leben (ZsL). Die Projektleiterin des von der Aktion Mensch Stiftung geförderten und von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) durchgeführten Inklusionsbotschafter*innen-Projektes, Susanne Göbel, sprach mit Rose Jokic darüber, was sie genau so alles macht und wo sie mit ihrem Blindenführhund Maki überall unterwegs ist.

kobinet-nachrichten: Ihr Ziel als Inklusionsbotschafterin ist es, Inklusion durch Sport, Bildung, Kultur und Begegnung zu leben und für andere erlebbar zu machen. Das sind sehr unterschiedliche Bereiche, in denen Sie aktiv sind. Welcher Bereich spielt für Sie derzeit die größte Rolle und gibt es da Aktuelles zu berichten?

Rose Jokic: Tatsächlich bin ich in vielen Bereichen unterwegs. Sportlich als auch kulturell bin ich, soweit es meine Freizeit zulässt, aktiv und jogge regelmäßig zum Beispiel mit einem Kölner Lauftreff. Auch im Bereich Kultur beteilige ich mich an Runden Tischen oder gehe zu Veranstaltungen wie Öffentlichkeitsbeteiligung für Bürger*innen und bringe das Thema Inklusion ein. Ich besuche aber auch kulturelle Veranstaltungen, wie die Berlinale etc.

Nach wie vor mache ich Workshops zur Barrierefreiheit von digitalen Informationen im Web und zur Erstellung von Audiodeskriptionen für Filme. So habe ich Anfang Mai eine Schulung für angehende inklusive Medienpädagog*innen in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk für Inklusion mit Medien durchgeführt. Zum Thema Bildung passend, werde ich im kommenden Wintersemester an der Technischen Hochschule in Köln an einem Tutorenprojekt teilnehmen, um Studierende mit Beeinträchtigung bei der Orientierung an der Hochschule zu unterstützen. Das Projekt nennt sich "Best Tandem" (https://www.th-koeln.de/studium/anmeldung-als-mentorin-am-projekt-best-tandem_65132.php bzw. https://www.th-koeln.de/studium/anmeldung-als-mentee-am-projekt-best-tandem_65131.php - je nachdem, ob man Mentor*in oder Mentee ist) und wurde von der Behindertenbeauftragten initiiert.

Am 25. Mai 2019 fand in Köln der Tag der Begegnung statt, bei welchem ich mit dem Kölner Netzwerk der ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) ebenfalls vor Ort war und meine Arbeit in der Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatung vorstellte. All diese Aktivitäten sind wertvolle Begegnungen, die es Menschen mit und ohne Behinderung hoffentlich leichter machen, sich im Alltag aufeinander einzulassen.

kobinet-nachrichten: Sie sind auch Beraterin für Public Relations, Öffentlichkeitsarbeit, dadurch immer wieder in den Medien präsent, und engagieren sich in Projekten der kreativen Medienarbeit. Was genau verbirgt sich dahinter und wie inklusiv erleben Sie Medienarbeit?

Rose Jokic: Medienarbeit ist ein wichtiger Faktor, wenn es um Inklusion geht. Viele Menschen kennen das Thema Inklusion, wenn überhaupt, dann aus den Medien. Deswegen finde ich es extrem wichtig, dass auch Menschen mit Behinderungen medienübergreifend präsent sind und zwar nicht nur als Akteure, über die Medien berichten, sondern als Medienschaffende. Also ich schreibe Artikel für Fachzeitschriften, gebe Interviews und führe Schulungen für angehende Medienschaffende zum Thema barrierefreie Webangebote, Applikationen und Filmbeschreibungen.

Für mich als blinde Person ist es dank der Medienvielfalt einfacher geworden, an Informationen zu kommen, und dank der barrierefreien Software ist es mir auch möglich, meine Beiträge zu platzieren. Leider gibt es dennoch Hürden bei der Nutzung und zwar dann, wenn die Angebote nicht barrierefrei gestaltet sind. Oft sind die Anbieter selbst empört darüber, dass ihre Angebote nicht zugängig sind und es lohnt sich immer wieder darauf hinzuweisen, so meine Erfahrung. Ebenso ist es unumgänglich, dass Medienschaffende darüber in Kenntnis gesetzt werden, wie sie über Menschen mit Behinderung berichten. Es bestehen hier noch Unsicherheiten, die ich durch meine Arbeit mit Medienschaffenden versuche aufzulösen.

kobinet-nachrichten: In welchen Medien sind Sie genau aktiv und was konnten Sie durch Ihre Öffentlichkeitsarbeit schon bewegen, bzw. möchten Sie bewegen?

Rose Jokic: Ich schreibe für Fachzeitschriften, Online-Portale, wie die kobinet nachrichten, sowie fürs Radio, mit dem Ziel, dass Menschen mit Behinderung nicht auf die Behinderung reduziert werden und es nicht nur darum geht, über ihre besonderen Bedarfe zu berichten. Vielmehr geht es mir darum, Menschen dazu zu bringen, sich selbst zu reflektieren im alltäglichem Umgang mit Behinderungen.

kobinet-nachrichten: Bevor Sie nach Köln umgezogen sind, lebten Sie in Leipzig und waren auch dort bereits in Sachen Inklusion aktiv unterwegs. Erleben Sie bezüglich gelebter Inklusion und Barrierefreiheit Unterschiede zwischen beiden Städten und wenn ja, welche?

Rose Jokic: Ich erlebe in beiden Städten eine wachsende Bereitschaft, etwas zu verändern. In Köln wurde bereits viel getan und mein Gefühl ist, dass die Kölner offener mit dem Thema Inklusion umgehen als die Menschen in Leipzig. Auch die Beteiligung von Menschen mit Behinderung an kommunalen Prozessen ist in Köln deutlich spürbarer als in Leipzig, was zum Beispiel an der Umsetzung von Barrierefreiheit sichtbar ist. In Leipzig waren bislang andere Prioritäten gesetzt, aber ich denke, dass der Wandel zu mehr Barrierefreiheit und zu Inklusion auch dort weiter vorankommt. Nicht zuletzt auch durch die Arbeit des Antidiskriminierungsbüros Sachsen.

kobinet-nachrichten: Was ist Ihrer Meinung nach nötig, damit behinderte Menschen und ihre Belange gerade in großen Städten, in denen so viele Themen Beachtung finden müssen, nicht untergehen?

Rose Jokic: Meiner Meinung nach ist die wirksame Selbstvertretung von Menschen mit Behinderung notwendig, damit in großen, aber auch kleineren Städten unterschiedliche Bedarfe auch beachtet werden. Eine wirksame Selbstvertretung muss aber auch durch angemessene Unterstützung möglich gemacht werden, d.h. damit sich Menschen mit Behinderung am Geschen in der Kommune beteiligen können, müssen sie angemessene Unterstützung in Form von Assistenz, barrierefreiem Zugang zu Informationen, Räumlichkeiten, Verkehrsmitteln etc. sowie einer barrierefreien Kommunikation, zum Beispiel in Leichter Sprache und in Gebärdensprache, erhalten. Die Kommunen sind angehalten, selbstverpflichtende Richtlinien wie ein Disability Mainstreaming zu erarbeiten. Menschen mit Behinderungen müssen dabei mitwirken können. Weiterhin ist es erforderlich, dass auch innerhalb von Verwaltungen, auf struktureller Ebene, Menschen mit Behinderungen als Vertreter*innen eingesetzt werden. Die Selbsthilfe müsste dabei unterstützt werden, sich zu professionalisieren und der Peer-to-Peer-Aspekt berücksichtigt werden.

Viel zu oft müssen Menschen mit Behinderung hart für ihre Rechte kämpfen, was ihnen die Kräfte für die Beteiligung an all diesen Maßnahmen zusätzlich raubt. Damit Menschen mit Behinderung nicht unter gehen, muss die selbstbestimmte Teilhabe unkompliziert sichergestellt werden.

kobinet-nachrichten: Maki ist Ihr Blindenführhund und begleitet Sie durch ihr derzeitiges Leben. Aber Maki ist auch Ihr Teampartner, wenn Sie zum Beispiel in Schulen gehen und Kinder und Jugendliche zum Thema Blindheit sensibilisieren wollen. Wie wichtig ist Maki für Sie und was bringt er in Ihr Team ein?

Rose Jokic: Maki spielt eine sehr große Rolle in meinem Leben und begleitet mich fast überall hin. Er ist eine wichtige Brücke bei all den Begegnungen, die wir im Alltag erleben. Er zaubert Menschen in einer vollen U-Bahn ein Lächeln ins Gesicht, auch wenn er mitten im Weg steht. Bei Begegnungen mit Kindern weiß er sich in Szene zu setzen und lässt sein weiches Fäll streicheln. Ich werde sehr oft auf sein hübsches Erscheinungsbild angesprochen, das heißt die meisten Komplimente gelten ihm. Wenn ich mal ohne ihn unterwegs bin, wird mir höchstens mal Hilfe angeboten, aber ins Gespräch komme ich mit Menschen, wenn er dabei ist.

kobinet-nachrichten: Seit letztem Jahr arbeiten Sie in einer Kölner Ergänzenden Unabhängigen Teilhabeberatungsstelle, kurz EUTB. Nach gut einem Jahr, in dem Sie eigene Praxiserfahrungen machen konnten und u.a. auch im Austausch mit anderen EUTB-Berater*innen in Köln stehen: was ist Ihr erstes Fazit? Was ist für Sie das Besondere an Peer Beratung, im Vergleich zu anderen Beratungsangeboten für behinderte Menschen?

Rose Jokic: Die Arbeit in der Beratung ist vielseitiger als ich anfangs dachte. Menschen kommen mit unterschiedlichen Bedarfen und ich muss mich immer wieder neu auf sie einstellen. Das bedeutet wiederum viel Austausch, Informationsrecherche und stetig wachsende Erfahrung. Das Netzwerk ist eine wichtige Komponente, da man sich gut austauschen aber auch ergänzen kann. Die Ziele einer unabhängigen Teilhabeberatung gemeinsam zu vertreten stärkt mich als Beraterin. Der Peer-Ansatz ist nach meiner Erfahrung für diese Art von Beratung notwendig. Das besondere bei dieser Beratung, in Vergleich zu anderen, ist die Möglichkeit eigene Erfahrungen einzubringen und sich dennoch voll auf die Interessen von Ratsuchenden zu konzentrieren.

kobinet-nachrichten: Was steht noch an bei Ihnen? Was sind Ihre Pläne für 2019?

Rose Jokic: 2019 ist schon weit vorangeschritten und ich habe vor, mich weiterhin für Inklusion und Teilhabe einzusetzen, in den Medien, beim Sport und bei Begegnungen im Alltag.

kobinet-nachrichten: Was nervt oder beunruhigt Sie so richtig?

Rose Jokic: Es beunruhigt mich gerade durch die Beratungsarbeit zu erfahren, was für Hürden Menschen mit Behinderung zusätzlich überwinden müssen, um ihr Recht auf ein selbstbestimmtes Leben zu bekommen.

kobinet-nachrichten: Und worüber freuen Sie sich, bzw. welche Wünsche sind bei Ihnen noch offen?

Rose Jokic: Ich bin dankbar, dass ich die Möglichkeit habe, meine Erfahrung bezogen auf die Behinderung eher positiv in der Beratung einbringen zu können. Viele Menschen, die später erblinden und in die Beratung kommen, sind davon überzeugt, dass sie nie wieder ein eigenständiges Leben führen können. Diese Menschen dahin zu führen, zu erkennen, dass es doch geht, ist ein weiter Weg und eine wichtige Aufgabe, die ich noch vor mir habe. Als Inklusionsbotschafterin freue ich mich weiterhin, den Inklusionsgedanken bekannter zu machen und dafür zu sensibilisieren, dass nicht die individuelle Einschränkung von Menschen ihre Behinderung ausmacht, sondern die Gegebenheiten unserer Gesellschaft.

kobinet-nachrichten: Vielen Dank für das Interview.

 

Links zu weiteren Berichten über Inklusionsbotschafter*innen unter dem Motto "Was macht ...?

Was macht Mechthild Kreuser - kobinet-nachrichten vom 16. Mai 2019

Was macht Jürgen Linnemann? - kobinet-nachrichten vom 16. April 2019

Was macht Tina Jahns? - kobinet-nachrichten vom 14. März 2019

Was macht Lut Autenrieb? - kobinet-nachrichten vom 12. März 2019

Was macht Felicitas Duijnisveld? - kobinet-nachrichten vom 28. Februar 2019

Was macht Graf Fidi? - kobinet-nachrichten vom 13. Januar 2019

Was macht Birger Höhn - kobinet-nachrichten vom 10. Januar 2019

Armin Rist: Viel unterwegs für Inklusion - kobinet-nachrichten vom 20. November 2018