Lul Autenrieb bringt das Thema Migration und Behinderung zusammen
Mein Name ist Lul Autenrieb, ich bin 56 Jahre alt und wohne seit dem Jahr 2006 im Stadtteil Bonn-Neu-Tannenbusch, einem Stadtteil mit vielen MigrantInnen und auch vielen Menschen mit Behinderungen – Deutsche wie auch Zugewanderte. Ich bin gebürtige Somalierin, aber seit 25 Jahren Deutsche. Und lebe seit 30 Jahren nun schon in Deutschland. Ich spreche außer deutsch auch somalisch, arabisch, italienisch und englisch. Ich bin selbst behindert, sitze in Folge eines Gewaltverbrechens im Rollstuhl. Ich bin kontaktfreudig, sehr aktiv und Menschen sprechen mich oft an, um Hilfe zu suchen.
Meine Hilfsbereitschaft kommt aus tiefstem Herzen; als ehrenamtliche Integrationslotsin unterstütze ich meine ehemaligen Landsleute und auch alle anderen, die sich hilfesuchend an mich wenden, dolmetsche für sie und begleite sie bei Behördenangelegenheiten. Aus diesem Engagement habe ich zusammen mit anderen Tannenbuscherinnen 2015 das Internationale Frauen- und Familienforum Tannenbusch gegründet. Ziel ist es, einen regelmäßigen Treffpunkt zu haben, wo Informationen zu unterschiedlichen Alltagsthemen vermittelt werden können, Austausch, Unterstützung und ebenso auch Empowerment möglich ist. Damit wurde ein Raum geschaffen, in dem sich vor allem. Frauen geschützt über ihre speziellen Bedürfnisse und Probleme unterhalten können.
Die Themenbandbreite, die bei den Treffen aufgegriffen werden, ist groß: Ich bin mit der Idee gestartet, Frauen in Tannenbusch die Möglichkeit zu bieten, über Fragen der Gleichstellung, Religion, häuslichen Gewalt, Genitalverstümmelung, Gesundheit oder auch Trennung/Scheidung zu sprechen. Schnell stellte sich heraus, dass es bei weiteren Themen wie Beruf, Bildung, Inklusion, Erziehung, Behinderung, Familienleben, die sich rund um die Familie drehen und somit nicht nur uns Frauen betreffen, auch großen Austauschbedarf gibt.
Neben den wöchentlichen Treffen organisieren wir auch größere Diskussionsrunden, zum Beispiel anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen im November. Dabei widmen wir uns Themen wie „Flucht und Gewalt macht krank“ oder „Wege aus der Gewalt“: Aufgrund von eigenen Erfahrungen liegt mir das Thema Genitalverstümmelung und häusliche Gewalt besonders am Herzen. Mich freut es besonders, dass sich meine ersten Bedenken, wie die Reaktion der Tannenbuscherinnen zu diesen tabuisierten Themen ausfallen könnte, nicht bewahrheitet haben und so viele sich unserem Kreis angeschlossen haben. Darunter sind auch einige Menschen mit Behinderungen.
Aus meiner täglichen Arbeit mit vielen verschiedenen Menschen ziehe ich meine Motivation und Kraft, mich für die Rechte von behinderten Menschen einzusetzen. Daher möchte ich mich als Inklusionsbotschafterin in meinem Stadtteil für gelebte Inklusion einsetzen und dazu beiztragen, dass Vorurteile, Hemmungen und Berührungsängste zwischen Menschen mit und ohne Behinderung durch Kommunikation und Austausch abgebaut werden und behinderte Menschen mit anderen Augen wahrgenommen, genauso gesehen und behandelt werden, wie andere „normale“ Menschen auch.
Ich wünsche mir größere Akzeptanz von Menschen mit Behinderung. Ich wünsche mir durch die Sensibilisierung für das Thema Inklusion mehr Achtung, Respekt und Anerkennung.
Mein Ansatzpunkt sind dabei die Kleinen: Daher möchte ich jetzt als Inklusionsbotschafterin stärker in Schulen aktiv werden und SchülerInnen für Inklusion sensibilisieren - besonders das Thema Migranten im Zusammenspiel mit Behinderung vorantreiben. Dabei möchte ich auch bei den MigrantInnen das Bewusstsein dafür stärken, ihnen Informationen zugänglich machen und ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Außerdem geht es mir darum, Inklusion stärker in die öffentliche Diskussion hineinzutragen, zum Beispiel über die Presse oder eigene Veranstaltungen im Stadtteil.
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