Interview mit Jörg Bungart, Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB) e.V..
Interview mit Jörg Bungart
1. Herr Bungart, sie sind Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft für Unterstützte Beschäftigung (BAG UB) e.V., welches waren die Beweggründe der BAG für die Mitarbeit als Partner im Rahmen von JobBudget?
Auf der Basis des Konzepts Unterstützte Beschäftigung (vgl. http://bag-ub.de/ub/idx_ub.htm) engagiert sich die BAG UB seit ihrer Gründung in den Bereichen Qualifizierung und Beschäftigung von Menschen mit Behinderung in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes. Auch zum Thema Persönliches Budget in Arbeit und Ausbildung bietet die BAG UB seit längerem Information sowie Beratung an und dokumentiert regelmäßig die aktuellen Entwicklungen. In JobBudget sind wir vor allem für die Evaluation der Projektaktivitäten und die Koordination der Weiterbildungsangebote zuständig. Beides sind langjährige Schwerpunkte unserer Angebote. Insofern ergänzt und erweitert das Projekt JobBudget zentrale Inhalte unserer Arbeit. Durch JobBudget sollen konkrete berufliche Wahlmöglichkeiten für Menschen mit Behinderung geschaffen werden. Ein Ziel, dass für die BAG UB von besonderer Bedeutung ist. Das Projekt bietet die Chance, die Zusammenarbeit mit wichtigen Kooperationspartnern zu vertiefen. Die erforderliche Fachkompetenz im Übergang von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt ist gemeinsam weiter zu entwickeln und bundesweit zu etablieren. Darüber hinaus sind Beispiele erfolgreicher Kooperation zwischen WfbM und anderen Anbie-tern bekannt zu machen. In diesen Zielsetzungen liegen das innovative Potential und die Ver-antwortung des Projekts JobBudget.
2. Wo sehen sie vor dem Hintergrund der im Projekt geplanten Verknüpfung von WfbM Leistungen und ambulanten Integrationsdienstleistungen die speziellen Herausforderungen vor denen das Projekt steht?
Es gibt bereits seit längerem konkrete Erfahrungen, wie die Unterstützung von Menschen mit Behinderungen von der WfbM auf den allgemeinen Arbeitsmarkt erfolgreich gelingen kann. Diese gilt es aufzugreifen und gleichzeitig die besonderen Erfordernisse bei der Planung und Durchführung der Angebote an den fünf Projektstandorten zu berücksichtigen. Manche, bereits heute vorliegende Erkenntnisse sind sicher nutzbar, jedoch ist nicht alles 1:1 auf andere Regionen übertragbar. So beziehen sich die bisherigen Erfahrungen eher auf Ballungsgebiete und wirtschaftlich vergleichsweise starke Regionen. Es liegen jedoch kaum Erkenntnisse über den Unterstützungsaufwand in eher strukturschwachen Gebieten vor. Anzunehmen ist, dass dort u.a. der Akquiseaufwand und die Fahrzeiten der Fachkräfte zu den Betrieben, z.B. zur Praktikumsbegleitung, deutlich höher sind. Möglich ist auch, dass der Unterstützungsbedarf der Teilnehmenden vielseitiger als bei den etablierten Anbietern ist (z.B. durch andere oder erweiterte Zielgruppen) und damit neue bzw. differenziertere Anforderungen an Inhalt und Intensität der Unterstützung gestellt werden. Dies betrifft auch die Kooperation mit regionalen Netzwerkpartnern. Bei der systematischen Kooperation zwischen WfbM und externem Anbieter wird weitgehend Neuland betreten. Dies gilt insbesondere für die zentrale Aufgabe der Entwicklung und Verpreislichung von Leistungsmodulen für den Übergang von WfbM auf den allgemeiner Arbeitsmarkt. Entscheidend ist wohl, dass die Partner in JobBudget den Zeitrahmen nutzen, um vielseitige Erfahrungen zu sammeln und aufzubereiten, so dass eine Übertragung der Ansätze auch in weitere Regionen so gut wie möglich gelingen kann.
3. Wo steht Deutschland im Moment in Bezug auf den Komplex der Vorbereitung auf den allgemeinen Arbeitsmarkt sowie der Förderung und Begleitung behinderter Menschen und wie kann dieser Personenkreis von JobBudget profitieren?
JobBudget fängt, wie gesagt, nicht bei Punkt „Null“ an. Sonst wäre selbst der hier zur Verfügung stehende Zeitraum nicht ausreichend. Wir wissen grundsätzlich, wie die Integ-ration in den allgemeinen Arbeitsmarkt und die Sicherung des Arbeitsverhältnisses gelingen kann. Vieles hat sich in den letzten 10-15 Jahren entwickelt; ausgehend von Schulen, WfbM, Integrationsfachdiensten und anderen Anbietern sowie unter Beteiligung und mit Initiative der entsprechenden Verbände und Leistungsträger. Auch das Bundesarbeitsministerium begleitet und unterstützt seit Langem aktiv diesen Prozess. Nicht zuletzt das Konzept der Unterstützten Beschäftigung bietet ein zentrales Instrumentarium, wie z.B. Job Coaching (Begleitung und Unterstützung direkt am Arbeitsplatz und im Betrieb), dessen praktische Wirksamkeit mehrfach bewiesen ist. Entsprechende Angebote stehen jedoch heute Menschen mit Behinderung lediglich in einigen wenigen Regionen zur Verfügung. Darauf verweisen nicht zuletzt behinderte Menschen, sowie ihre Eltern und Angehörigen immer wieder selbst. Der besondere Nutzen von JobBudget sollte deshalb letztendlich die flächendeckende Umsetzung von Angeboten der betrieblichen Qualifizierung und Beschäftigung für Menschen mit höherem Unterstützungsbedarf sein. Die Partner in JobBudget, und dazu zähle ich auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), tragen nun die Verantwortung, diesen berechtigten Erwartungen auch nachzukommen. Dann entstehen ganz konkrete Wahlmög-lichkeiten, zuerst an den Projektstandorten und zunehmend auch anderswo.
4. Wie schätzen Sie die Möglichkeiten der Nutzung des Persönlichen Budgets im Rahmen von WfbM ein, worin bestehen Hemmnisse?
Hiermit ist ein sehr komplexes Thema angesprochen. Zunächst gilt: WfbM-Leistungen (Eingangsverfahren, Berufsbildungs – und Arbeitsbereich) sind grundsätzlich budgetfähig und es gibt bereits heute eine Reihe von Beispielen. Das Budget kann z.B. genutzt werden, darauf verweist auch das BMAS, um auf einem ausgelagerten Arbeitsplatz jenen Anbieter zu wählen (WfbM oder/und externer Dienstleister), der die Begleitung und Unterstützung durchführt. Gleiches gilt für das Eingangsverfahren und den Berufsbildungsbereich. Eine wichtige Voraussetzung ist die Entwicklung und Verpreislichung von Leistungsmodulen, wie in JobBudget vorgesehen und vom BMAS eingefordert. Dies gilt vor allem dann, wenn der/die Budgetnehmer/in einzelne Module bei verschiedenen Anbietern einkaufen möchte. Das BMAS verdeutlicht jedoch in Stellungnahmen unter Bezug auf das geltende Recht, dass bei der Inanspruchnahme eines externen Anbieters über das Persönliche Budget eine „formale Anbindung“ an die WfbM vorliegen muss. Das bedeutet, dass diese Möglichkeit nur dann besteht, wenn die extern angebotene Dienstleistung in „Abstimmung mit der Werkstatt und in Verantwortung der Werkstatt“ erfolgt. Wie gesagt, dies ist die aktuelle Rechtslage bzw. deren Auslegung. Für manche behinderte Menschen stellt dies, das zeigen Rückmeldungen an die BAG UB, ein Hemmnis bei der Nutzung des Persönlichen Budgets im Rahmen von Werkstattleistungen dar. Es gibt jedoch andere Auffassungen zum geltenden Recht. Diese gehen davon aus, dass selbstverständlich ein Leistungsanspruch vorliegen muss, dieser aber auch ohne „formale Anbindung“ an die WfbM durch einen externen Dienstleister über das Persönliche Budget in Anspruch genommen werden kann. „Eine solche Gestaltung des ‚Wie’ der Leistung stellt grundsätzlich keine andere bzw. neue Leistung dar“. Diese und andere Begründungen sind nachzulesen im Artikel „Rechtsfragen und Gestaltungsmöglichkeiten beim Persönlichen Budget für die berufliche Teilhabe“ (Mai 2008) von Kerstin Rummel (Rechtsanwältin), die auch am Rechtsgutachten im Rahmen des Bundesmodellprojektes zum Persönlichen Budget beteiligt war. Frau Rummel betont, dass mit der Zielvereinbarung ebenfalls ein adäquates „Steuerungsinstrument zur Verfügung steht, welches auch zur Sicherung von Struktur- und Prozessqualität eingesetzt werden kann“ (Sicherung professioneller Standards). Zudem verweist sie auf die besondere Stellung der Ergebnisqualität, die der Bewertung durch die Budgetnehmer/innen einen hohen Rang einräumt. Im Artikel von Frau Rummel findet man auch rechtlich begründete Lösungsansätze zu einem weiteren Hemmnis. Dies betrifft z.B. Personen, die den Berufsbildungsbereich über das Persönliche Budget ambulant, also in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes mit Unterstützung durch einen externen Dienstleister und ohne formale Anbindung an eine WfbM durchführen wollen. Die Budgetnehmer/innen können derzeit ihren Versicherungsschutz im Krankheitsfall lediglich über den Verbleib in der Familienversicherung sicherstellen oder selbst freiwilliges Mitglied einer Krankenkasse werden. Beiträge zur Rentenversicherung werden von den Leistungsträgern ebenfalls nicht gezahlt. Als Alternative zur Verantwortung der WfbM für die „Tragung und Zahlung der Sozialversicherungsbeiträge“ ist denkbar, dass z.B. der „Budgetnehmer einen Budgetanteil für seine soziale Absicherung und Vorsorge erhält“ (siehe Rummel). Der BAG UB sind mittlerweile zwei Beispiele bekannt, in welchem der Leistungsträger auch so entschieden hat. Bei dem Problem der Sozialversicherung von BudgetnehmerInnen soll laut BMAS die neu einzuführende Leistung „Unterstützte Beschäftigung“ (§ 38a neu SGB IX) Abhilfe schaffen. Es ist geplant, dass die Leistung ab Januar 2009 in Kraft tritt. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob diese Leistung zukünftig jene „Sachverhalte erfasst, die bislang schon erfolgreich über das Persönliche Budget ‚abgewickelt’ wurden“ (siehe Rummel). Dies gilt auch deshalb, da die geplante Gesetzesgrundlage „Unterstützte Beschäftigung“ nur einen Teil des Konzepts Unterstützte Beschäftigung umfasst. Die BAG UB hat zu den genannten Fragestellungen rund um das Persönliche Budget im Januar 2008 eine Stellungnahme veröffentlicht, die zusammen mit dem Beitrag von Frau Rummel unter http://bag-ub.de/arbeitpb/index.htm downzuloaden sind. Die BAG UB ist weiter im Gespräch mit den verantwortlichen Entscheidungsträgern, so auch dem BMAS. Wir hoffen, dass auch das Projekt JobBudget einen Beitrag zur Beantwortung der noch offenen Fragen leisten wird. Im Kern geht es darum, das Persönliche Budget konsequent für WfbM-Beschäftigte nutzbar zu machen und damit für diesen Personenkreis die Wahlmöglichkeiten zu verbessern. Das bedeutet im Wesentlichen, den Leistungsanspruch nicht an die Institution, sondern an die Person zu binden. Zu dieser Zielsetzung gibt es eine hohe Übereinstimmung zwischen den Verbänden. Auf dieses Erfordernis weist auch die BAG:WfbM in ihrem Positionspapier „Mut zur Zukunft“ ausdrücklich hin.
Interview mit Barbara Vieweg von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V. im Magazin AUF KURS
JobBudget - ein Modellprojekt für den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt
Das bundesweite ModellprojektJob Budget wird koordiniert von Barbara Vieweg von der Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben e.V. in Jena. AUF KURS sprach mit ihr:
AUF KURS: Frau Vieweg, was ist das Modellprojekt JobBudget?
Barbara Vieweg: JobBudget ist ein Projekt, das sich aus Mitteln des Ausgleichsfonds des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung speist. Es erprobt Wege aus der Werkstatt für behinderte Menschen in den Arbeitsmarkt und verknüpft dabei Werkstattleistungen mit den Leistungen von Integrationsdienstleistern.
AUF KURS: Was ist das Ziel?
Barbara Vieweg: Das Ziel ist, die an verschiedenen Stellen vorhandenen Kompetenzen, Verfahren und Hilfen in Module umzusetzen und Verknüpfungen zwischen den unterschiedlichen Anbietern und Dienstleistern herzustellen, um für Menschen mit Behinderung den Übergang zum allgemeinen Arbeitsmarkt zu gestalten. Genutzt werden soll dabei das Persönliche Budget.
AUF KURS: Wer ist beteiligt?
Barbara Vieweg: Wir haben fünf Praxisprojekte in Lüneburg, Lübeck, Fürstenwalde, Bitburg und Jena. Die Begleitung übernimmt die Hamburger Arbeitsassistenz, die Access Integrationsbegleitung in Erlangen und die BAG Unterstützte Beschäftigung. Besonders wichtig ist auch auch die Beteiligung der BAG:WfbM als strategischer Partner.
AUF KURS: Welche Laufzeit hat das Projekt?
Barbara Vieweg: Angelegt ist es von 2008 bis 2011.
AUF KURS: Können Sie schon erste Erfolge vorweisen?
Barbara Vieweg: In Lübeck sind die Kooperationsvereinbarungen mit den örtlichen Werkstätten abgeschlossen, in den anderen Regionen steht dies bevor.
AUF KURS: Ihre nächsten Schritte?
Barbara Vieweg: Wir nehmen die Arbeit an den Dienstleistungsmodulen auf, organisieren die Kooperation und verpreislichen unser Angebot.
AUF KURS: Was steht am Ende Ihres Weges?
Barbara Vieweg: Wir erproben unser Modell in der Fläche und machen es anderen Regionen nutzbar, indem wir die Module publizieren. Damit die Übertragung gelingt, sind jetzt schon die Reha-Träger über einen Beirat mit im Boot.
Interview Dr. Clemens Kasper von der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für Menschen mit Behinderungen.
JobBudget vereint in einem Modellprojekt neun verschiedene Verbände, die behinderte Menschen aus Werkstätten für behinderte Menschen beim Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt unterstützen werden.
Grundgedanke von JobBudget ist die Verknüpfung verschiedener Dienstleistungen so z. B. Zentren für selbstbestimmtes Leben, Integrationsfachdiensten und Werkstätten für behinderte Menschen. Das Ziel von JobBudget soll die (bundesweite) Einführung eines neuen Dienstleistungsangebotes sein, das bisherige ambulante oder teilstationäre Leistungen auf eine neuartige Weise unter Nutzung des Persönlichen Budgets miteinander verknüpft, um mehr behinderten Menschen als bisher den Weg aus den Werkstätten in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu eröffnen. Gefördert wird JobBudget aus Mittel des Bundesausgleichsfonds des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales.
Barbara Vieweg, Geschäftsführerin der Interessenvertretung Selbst bestimmt Leben in Deutschland (ISL e.V.), führte das nachfolgende Interview mit Dr. Clemens Kasper von der Bundarbeitsarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen.
Barbara Vieweg: Herr Dr. Kasper, Sie sind Referent für Arbeitswelt und Rechtsfragen bei der BAG WfbM, welches waren die Beweggründe der BAG für die strategische Partnerschaft im Rahmen von JobBudget?
Dr. Kasper: Da gibt es gleich mehrere Gründe, warum sich die BAG:WfbM an diesem Projekt beteiligt. Der erste Grund ist zweifelsohne ein "natürlicher": Sofern es um Werkstätten und ihre Leistungen geht, ist die BAG:WfbM sozusagen ein "geborener" Partner in einem solchen Projekt.
Zentraler ist aber das Anliegen der BAG:WfbM, den Beschäftigten in Werkstätten Wege zur Teilhabe am Arbeitsleben über das Persönliche Budget auf jeden Fall zu eröffnen. Es ist hinlänglich bekannt, dass alle am Eingliederungsprozess Beteiligten sich hier sehr schwer tun. Eine Vernetzung unterschiedlicher und kompetenter Partner kann nur dienlich sein.
Es gibt aber auch einen verbandspolitischen Grund, der nicht zu unterschätzen ist. Es ist hier - vielleicht erstmalig - gelungen, ganz unterschiedliche Verbände zu einem gemeinsamen Ziel zusammenzuschließen. Dies war längst überfällig! Allen beteiligten Verbänden ist das Anliegen gemeinsam, Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf, Teilhabemöglichkeiten (am Arbeitsleben) zu erschließen. Dieses gemeinsame Anliegen sollte mehr einen, als dass es zu ideologischen Grabenkämpfen führt. Das schwächt letztlich die Position der Anspruchsberechtigten und führt dazu, dass Initiativen gegeneinander ausgespielt werden - durchaus durch Gesetzgeber oder Leistungsträger. Es ist gleichsam eine "vertrauensbildende Maßnahme", die ich für alle Beteiligten als außerordentlich fruchtbar erlebe.
Konkurrenz zwischen unterschiedlichen Interessensverbänden führte bisweilen zu grotesken und unwürdigen Auswirkungen, bei denen Menschen mit hohem Unterstützungsbedarf als "beliebige Verfügungsmasse" betrachtet wurden, auf die man Anspruch erhebt und sie einem unliebsamen Konkurrenten abspricht, weil man glaubte, Leistungen auf jeden Fall besser im Sinne der Betroffenen erbringen zu können. Solche wirklich unnützen Auseinandersetzungen sollten wirklich der Vergangenheit angehören. Man darf es heute nüchterner sehen: es wird immer eine überwiegend große Zahl von Werkstattbeschäftigten geben, für die vor allem die Leistungen in der Werkstatt das Richtige ist und bleiben wird. Aber es gibt auch solche, die ihre Teilhabeleistungen gerne und lieber außerhalb einer Einrichtung wahrnehmen wollen. Dem sollte niemand im Wege stehen.
Barbara Vieweg: Verknüpfung von WfbM Leistungen und ambulanten Integrationsdienstleistungen - welches sind dabei die spezielles Herausforderungen?
Dr. Kasper: Es sind hier die sattsam bekannten Schwierigkeiten eine so genannte Komplexleistung zu zergliedern, zu verpreislichen und durch unterschiedliche Leistungserbringer anzubieten. Diese Herausforderung kommt aber ohnehin auf Erbringer von Sachleistungen durch das Persönliche Budget zu. Vorteil ist hier, dass die Projektträger dies in Partnerschaft, d.h. also in Absprache mit den Werkstätten tun werden. Das wird Auseinandersetzungen nicht verhindern, aber es ist zu hoffen, dass es in eine Atmosphäre von gemeinsam getroffenen Absprachen und daher mit möglichst wenig Reibungsverlust vonstatten geht.
Barbara Vieweg: Wo stehen die Werkstätten für behinderte Menschen im Moment und wie können diesen von JobBudget profitieren?
Dr. Kasper: Die Frage ist insofern nicht ganz korrekt gestellt, als es nicht darum geht, wie Werkstätten von JobBudget profitieren können; sondern es geht einzig darum, welchen Nutzen anspruchsberechtigte Menschen von Leistungen oder Angeboten haben. Werkstätten sind seit jeher durch das Gesetz verpflichtet, durch geeignete Maßnahmen der unterschiedlichen Art der Behinderung und ihren Auswirkungen Rechnung zu tragen. Dies zieht sich wie ein roter Faden durch das ganze Werkstättenrecht (§ 136 ff. SGB IX und die Werkstättenverordnung) hindurch. Daran müssen sich Werkstätten und andere Anbieter messen lassen. Die Fragestellung ist die: kann durch neue Angebote oder durch die gleichen Angebote aus der Hand eines anderen Leistungserbringers und eine andere Finanzierungsform die Bedarfsstillung im Sinne der Anspruchsberechtigten verbessert werden? Daran werden sich alle Leistungserbringer - Institutionen wie Werkstätten oder Fachdienste - messen lassen müssen. Gälten Marktbedingungen, hätte das ein Ranking unter den Anbietern und eine Leistungsverbesserung zur Folge. Wenn das eine Qualitätssteigerung - und das heißt letztlich eine Förderung der Persönlichkeit der Anspruchsberechtigten - bedeutete, wäre das ein Gewinn für sie.
Barbara Vieweg: Wie schätzen Sie die Möglichkeiten der Nutzung des Persönlichen Budgets im Rahmen von WfbM ein, worin bestehen Hemmnisse?
Dr. Kasper: Theoretisch bestehen alle Möglichkeiten zur Nutzung des Persönlichen Budgets auch in Werkstätten. Das wurde nicht zuletzt auch wieder durch die Bundesregierung in der Antwort auf die kleine Anfrage der FDP bestätigt (BTDr. 16/6870). In der Umsetzung bestehen allerdings noch erhebliche Unklarheiten in der Vereinbarkeit von Budgetrecht und Werkstättenrecht, auf die wir von Anfang an hingewiesen haben und die inzwischen von allen - auch unseren Kritikern von damals - geteilt werden. Man sollte dieses und andere Projekte intensiv dazu nutzen, Wege zu finden und dabei auch vor unkonventionellen - das heißt im Recht noch nicht im Detail vorgesehenen - Lösungswegen nicht zurückschrecken. Die Hemmnisse auf institutioneller Seite bestehen unter anderem in den folgenden noch ungelösten Fragen: • der Frage nach dem Rechtsstatus (§ 138 SGB IX) der Budgetnehmerlinnen bei Inanspruchnahme von Teilleistungen der WfbM, (die Bundesregierung ist hier der Auffassung, das der Rechtsstatus vollumfänglich erhalten bleibt); • der Frage der Sozialversicherung von BudgetnehmerInnen, • der Rolle des Fachausschusses, wenn das Bedarfsfeststellungsverfahren ohne die Werkstatt erfolgt, • der Aufnahmeverpflichtung der Werkstätten (§137 Abs. 1 SGB IX) z.B. bei einem nicht auskömmlichen Budget, • der Bedeutung der Einzugsgebiete, und • bei die Umstellung von der institutionsbezogenen (§ 41 SGB IX i.V.m. §§ 75 ff. SGB XII, § 137 SGB IX) auf eine subjektbezogene Finanzierung (§ 17 SGB IX i.V.m. § 57 SGB XII).
weiterhin:
• Wie wirkt sich das persönliche Budget auf die Darstellung der Auswirkungen auf die Höhe des Arbeitsergebnisses nach § 41 Abs. 4 SGB IX (ob Gewinne oder Verluste durch die Vergütungen entstehen) aus? Es entsteht die Frage, wie und auf welcher Rechtsgrundlage das Persönliche Budget in diese Systematik einzuordnen ist.
Für den Leistungsberechtigten bleiben immer noch unter anderem folgende Fragen: • die Gewährleistung individueller, bedarfsgerechter Leistungen; • seine reale Einflussnahme; • die Höhe des Budgets. Wenn aber durch die Nutzung des Persönlichen Budgets für den Leistungsberechtigten ein • Zuwachs an Selbstentscheidung, Selbständigkeit und Selbstverantwortung und damit der Weg zu einer individuellen Bedarfsstillung verbunden ist, • der notwendige und persönliche Bedarf erfüllt wird und • alle am Leistungsprozess Beteiligten gleichberechtigt sind wird sich die Umsetzung des Persönlichen Budgets zweifelsohne als ein Gewinn darstellen, wenn es auch als Herausforderung und Umdenken erlebt wird.
Auftaktveranstaltung in Bitburg: Modellprojekt "Jobbudget" hilft behinderten Menschen in Arbeit
Die Auftaktveranstaltung des Modellprojekts "Jobbudget" fand am 20. Mai 2008 im Sitzungssaal des Kreishauses in Bitburg statt. Ziel dieses neuen Modellprojekts des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales ist es, Menschen mit Behinderung auf dem Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt zu begleiten und diesen Übergang erfolgreich zu gestalten. Im Eifelkreis Bitburg-Prüm wird das Modellprojekt "Jobbudget" umgesetzt durch das Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen Mainz e.V. (ZsL), Regionalstelle Trier/Eifelkreis. Ab August 2008 soll auch ein eigenes ZsL-Büro in der Stadt Bitburg eröffnet werden.
Landrat Roger Graef sagte vor dem Auditorium der Auftaktveranstaltung, dass sich der Eifelkreis Bitburg-Prüm den Herausforderungen an die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gestellt habe und froh sei, für das neue Modellprojekt ausgewählt worden zu sein. Durch Hilfen zur Teilnahme am Arbeitsleben, durch die Beschäftigung behinderter Menschen in den geschützten Werkstätten, aber auch durch die Unterstützung im Bereich Wohnen werde eine breite Hilfspalette angeboten. Zwischenzeitlich, so Graef, habe in der Eingliederungshilfe eine Richtungsänderung stattgefunden - hin zur individuellen, bedarfsgerechten Hilfe und zum selbstbestimmten Leben der behinderten Menschen.
Landrat Graef wies auf die erheblich gestiegenen Aufwändungen in diesem Aufgabenbereich hin: So habe der Eifelkreis Bitburg-Prüm im Jahre 1995 im Bereich der Werkstätten für Behinderte Kosten in Höhe von 2,8 Mio. Euro gehabt, während es im Jahre 2007 schon 5,8 Mio. Euro waren. "Es gibt also auch ökonomisch eine Notwendigkeit, die zum Umdenken drängt", sagte Graef.
Als Vertreter der Bundesarbeitsgemeinschaft der Werkstätten für behinderte Menschen sprach Dr. Kasper von den Problemen, die es für viele Behinderte beim Übergang in den ersten Arbeitsmarkt gebe. Hier sei die Nutzung des "persönlichen Budgets" ein wichtiges Instrument. Ziel müsse es sein, den Behinderten einen Zuwachs an Selbstständigkeit und Selbstverantwortung zu verschaffen. Der Landesbehindertenbeauftragte Ottmar Miles-Paul bezeichnete das Modellprojekt "Jobbudget" als Glücksfall für die behinderten Menschen und die hiesige Region. Zur erfolgreichen Integration Behinderter in den ersten Arbeitsmarkt sei eine gute ganzheitliche Unterstützung vonnöten, die es dem behinderten Menschen erlaube, nachhaltig im Arbeitsleben Fuß zu fassen.
Wie dies in der Praxis aussehen kann, erläuterten Barbara Vieweg, die Bundesgeschäftsführerin der Interessenvertretung selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V., und Karl-Heinz Miederer, der Geschäftsführer der ACCESS-Integrationsbegleitung gGmbH. Ein abschließendes Podiumsgespräch, das von Projektleiterin Edith Bartelmes moderiert wurde, vermittelte einen unmittelbaren Eindruck von der Lebenssituation behinderter Menschen auf dem Weg zu einem selbstbestimmten Leben.
Jena: Rede von Frau Evemarie Schnepel, Vorstandsvorsitzende des Lebenshilfewerk Weimar-Apolda e.V.
Sehr geehrte Damen und Herren,
„Eine Vision, ist die Kunst, Unsichtbares zu sehen“ sage der irische Schriftsteller Jonathan Swift. Wir, die Partner, die sich heute hier versammelt haben, um das Modellprojekt JobBudget zu starten, versuchen genau das. Wir haben die Vision, dass jeder Mensch ein möglichst selbstbestimmtes Leben und Arbeitsleben führen kann. Und zugleich ist es für uns schwer abzuschätzen ja manchmal nahezu „unsichtbar“, welche individuellen Bedürfnisse und Fähigkeiten die einzelnen Menschen mit Behinderung haben.
Unsere Erfahrungen in den letzten Jahren haben gezeigt, dass der Weg in den allgemeinen Arbeitsmarkt schwer und steinig ist. Demgegenüber steht die dauerhaft hohe Nachfrage nach Arbeitsplätzen für Menschen mit seelischer Behinderung. Mit JobBudget werden Hürden abgebaut. Das komplexe Angebot bezieht alle Beteiligten ein und schafft somit reale Chancen auf betriebliche Integration. Eine Idee, die vielfach als gegeben schon gehandhabt wurde und nun aber verstärkt umgesetzt werden soll. Aber – und da dürfen wir uns auch nichts vormachen – nicht jede Person mit Behinderung verfügt über die erforderlichen Eigenschaften für den allgemeinen Arbeitsmarkt. Die Werkstätten werden deshalb in den nächsten Jahren als ideologiefreier Raum nicht an Bedeutung verlieren. Wobei wir unser Werkstattkonzept entsprechend dem Umfeld permanent weiterentwickeln, getrieben von neuen Ideen und Visionen auf die Notwendigkeiten für ein selbstbestimmtes Arbeitsleben abzuzielen.
Eine der Entwicklungen, die wir gerne mittragen, ist JobBudget. Wenn Menschen aus unseren Werkstätten den Weg auf den allgemeinen Arbeitsmarkt suchen, erhalten sie und wir durch dieses Modellprojekt jetzt die individuell nötige Unterstützung. Für uns ist es damit eine sinnvolle Ergänzung und Alternative zu den Werkstätten. Die Zusammenarbeit mit dem Saale Betreuungswerk der Lebenshilfe und dem Jenaer Zentrum für selbstbestimmtes Leben pflegen wir schon seit vielen Jahren. Mit solch` verlässlichen Partnern an unserer Seite trauen wir uns auch zu, „Unsichtbares zu sehen“ und die Vision JobBudget wahr werden zu lassen. In diesem Sinne bleibt mir nur zu sagen: „Ich freue mich dabei zu sein und wünsche uns allen einen guten Start!“
Bilder von der Vertragsunterzeichnung: