Keine neue Selektion! Früher Bluttest auf Trisomie 21 sortiert Menschen aus!
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- Erstellt: Dienstag, 20. März 2012 14:53
Anlässlich des Welt-Down-Syndrom-Tages am 21. März hat die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) vor einer neuen und verschärften Form der Selektion gewarnt: „Statt wie in der UN-Behindertenrechtskonvention gefordert, die Bemühungen um Inklusion von Menschen mit Trisomie 21 zu verbessern, arbeitet das Bundesforschungsministerium daran mit, das Lebensrecht einer Personengruppe gleich ganz in Frage zu stellen“, stellt Rebecca Maskos, bioethische Sprecherin der ISL fest.
Maskos bezieht sich auf eine Ankündigung des Konstanzer Unternehmen GATC und seiner Tochterfirma Lifecodexx, in den nächsten Monaten einen neuen Bluttest auf den Markt zu bringen. Mit ihm soll die vorgeburtliche Diagnose von Chromosomenanomalien und anderen genetisch bedingten Beeinträchtigungen sehr vereinfacht werden. Die Markteinführung soll zunächst auf die Diagnose von Trisomie 21 (Down-Syndrom) beschränkt bleiben. Bereits in der 12. Schwangerschaftswoche kann damit der Fötus anhand seiner DNA-Bruchstücke, die im Blutkreislauf der Mutter schwimmen, getestet werden. Diese Methode ist weitaus unaufwändiger als die herkömmlichen Tests auf Trisomie 21, die erst in einem späteren Stadium der Schwangerschaft durchgeführt werden können. Gefahrlos sei dies, sagen die beiden Firmen. Eine „fortschrittliche Methode, ohne das Risiko einer Fehlgeburt“, kommentiert das Bundesforschungsministerium, das die Entwicklung des Tests mit 230.00 Euro unterstützt hat.
„Auch wenn der Test zur Zeit noch kostenintensiv ist, wird die Nachfrage steigen“, vermutet Maskos. „Humangenetiker sprechen jetzt schon von der ´Schwangerschaft auf Vorbehalt`, die zum ´sozialen Standard` werden solle“. Der Bluttest verschärft nach Ansicht der ISL die schon jetzt bestehende Infragestellung behinderten Lebens durch die Pränataldiagnostik: Beeinträchtigung und Behinderung werden durch eine rein medizinische Brille gesehen, die Vielfalt der Lebensmöglichkeiten mit Behinderung ausgeblendet. Schwangeren wird mit dem Schreckensszenario eines „schwerstbehinderten, lebenslang abhängigen“ Kindes Angst gemacht, Informationen aus der Perspektive von Behinderung betroffener Menschen erreichen sie selten.
Schon jetzt, so Maskos, entscheiden sich rund 90 Prozent aller Schwangeren, bei deren Ungeborenen der Verdacht auf Trisomie 21 besteht, für den Abbruch. Der Test wird die Hemmschwelle für den Abbruch weiter senken. Seine Ausweitung auf andere genetisch bedingte Beeinträchtigungen ist geplant und wird kommen, wenn sie nicht durch eine breite gesellschaftliche Debatte aufgehalten wird. „Ein Diskurs, der unhinterfragt und pauschal das Leben mit Trisomie 21 mit zu verhinderndem ´Leiden` gleichsetzt und dabei die Existenz von erfüllt lebenden Menschen mit Trisomie 21 ausblendet, ist nicht nur absurd, sondern menschenrechtsverletzend“, so Maskos.