Menschen mit Behinderungen in Katastrophenlagen nicht diskriminieren – neues Projekt der ISL
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Berlin, 23. Februar 2024: Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) startet in das Jahr 2024 mit einem neuen Projekt namens „Nicht-Diskriminierung behinderter Menschen in Gefahrensituationen und humanitären Notlagen“. Das Projekt wird für drei Jahre durch den Partizipationsfonds finanziert.
Kriege, Klimawandel und Katastrophen: Das 21. Jahrhundert stellt die Menschheit vor tiefgreifende Herausforderungen. Und besonders für Menschen mit Behinderungen sind sie eine existenzielle Gefahr. Deshalb schreibt die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) in Artikel 11 vor:
„Die Vertragsstaaten ergreifen im Einklang mit ihren Verpflichtungen nach dem Völkerrecht (…) alle erforderlichen Maßnahmen, um in Gefahrensituationen (…) den Schutz und die Sicherheit von Menschen mit Behinderungen zu gewährleisten.“
Trotz dieser menschenrechtlichen Forderung steckt der inklusive Katastrophenschutz noch in den Kinderschuhen, besonders in Deutschland ist dieser hier nicht existent. Als aktuelle eindrückliche Beispiele dient der Umgang mit behinderten Menschen während der Corona-Pandemie und die Flutkatastrophe im Ahrtal einschließlich zwölf behinderter Toten in einer Einrichtung.
„Mit diesem Projekt wollen wir Menschen mit Behinderungen genau darüber informieren, wie sie im Katastrophenfall vorgehen können und sich auf diese vorbereiten können. Dazu nutzen wir auch den Austausch mit internationalen Institutionen und Selbstvertretungsorganisationen, um Best-Practice-Beispiele für behinderte Menschen in Deutschland zu adaptieren“, erklärt Maria-Victoria Trümper, die für das Projekt verantwortlich ist.
„Die brandaktuellen ‚Abschließenden Bemerkungen‘ der Staatenprüfung Deutschlands 2023 unterstreichen ganz klar, dass eine allumfassende, inklusive und menschenrechtsbasierte Strategie zur Reduzierung des Katastrophenschutzes fehlt. Der Genfer Fachausschuss zur Umsetzung der UN-BRK empfiehlt deshalb u. a. einen nationalen Notfallplan, der in maßgeblicher, aktiver Zusammenarbeit mit und durch Konsultationen von Menschen mit Behinderungen erstellt werden soll“, erklärt Trümper weiter.
Aufgrund der Dringlichkeit im inklusiven Katastrophenschutz, verfasst der Fachausschuss zur Umsetzung der UN-BRK die nächsten „Allgemeinen Bemerkungen“ zu Artikel 11 der UN-BRK. Sie dienen dazu, einzelne Artikel sowie leitende Konzepte von Menschenrechtskonventionen konkreter zu erläutern und auch für nationale Gerichte und Verwaltung zugänglicher zu machen.
Trümper betont weiter: „Richtlinien und Handlungsempfehlungen zu inklusivem Katastrophenschutz liegen international schon längst vor. Zwei Beispiele sind das ‚Sendai Rahmenwerk für Katastrophenvorsorge‘ und die ‚IASC Inklusionsleitlinien‘, die international bereits längst in der Umsetzung sind. Man fragt sich mit Blick auf Deutschland – warum a) diese Maßnahmenkataloge bisher hier nicht gegriffen haben und b) keinerlei Informationen für behinderte Menschen vorhanden sind, die sie inkludiert? Zwar gibt es vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) eine Verhaltensempfehlung. Darin steht aber nur, dass sich behinderte Menschen sich im Katastrophenfall an Hilfspersonen wenden sollen. Das zementiert das klassisch-defizitäre Denken über behinderte Menschen und minimiert sie zu Hilfsobjekten. Das lässt vermuten, sie wurden nicht in die Erstellung miteinbezogen, geschweige denn mitgedacht.“
Die „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)“ ist eine menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie wurde nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch in Deutschland durchzusetzen.
V.i.S.d.P. Maria-Victoria Trümper
Non-discrimination of persons with disabilities in disaster situations – new ISL project
Berlin, 23nd of February 2024: The organisation of persons with disabilities „Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)„ („Independent Living in Germany“) is starting 2024 with a new project called „Non-discrimination of disabled people in dangerous situations and humanitarian emergencies“. The project is being financed by the Participation Fund for three years.
Wars, climate change and disasters: The 21st century presents mankind with profound challenges. And for persons with disabilities in particular, they pose an existential threat. This is why Article 11 of the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities (short: UN CRPD) stipulates that „States Parties shall, in accordance with their obligations under international law (…), take all necessary measures to ensure the protection and safety of persons with disabilities in situations of danger (…).“
Despite this human rights requirement, inclusive disaster management is still in its infancy, especially in Germany, where it is non-existent. Current impressive examples include the handling of disabled people during the coronavirus pandemic and the flood disaster in the Ahr valley, which left twelve disabled people dead in one facility.
„With this project, we want to inform persons with disabilities about exactly what they can do in the event of a disaster and how they can prepare for it. We also use the exchange with international institutions and self-advocacy organisations (‚OPD‘) to adapt best practice examples for people with disabilities in Germany,“ explains Maria-Victoria Trümper, who is responsible for the project.
„The brand-new ‚Concluding Observations‘ of the State Review of Germany 2023 clearly emphasise the lack of an all-encompassing, inclusive and human rights-based strategy for disaster risk reduction. The Geneva Committee of Experts on the Implementation of the UN CRPD therefore recommends, among other things, a national emergency plan, which should be drawn up in significant, active cooperation with and through consultations with people with disabilities,“ Trümper continues.
Due to the urgency of inclusive civil protection, the UN Committee on the Rights of Persons with Disabilities is drafting the next „General Comments“ on Article 11 of the UN CRPD. They will serve to explain individual articles and guiding concepts of human rights conventions in more concrete terms and also make them more accessible for national courts and administrations.
Trümper further emphasises: „Guidelines and recommendations for action on inclusive disaster prevention have long been available und implemented internationally. Two examples are the ‚Sendai Framework for Disaster Risk Reduction‘ and the ‚IASC Guidelines‚. Looking at Germany, one wonders why a) these catalogues of measures have not yet been implemented here and b) there is no information available for persons with disabilities that includes them? The Federal Office of Civil Protection and Disaster Assistance (‚BBK‘) has issued a behavioural recommendation. However, it only states that disabled people should turn to helpers in the event of a disaster. This cements the classic deficit thinking about disabled people and minimises them as objects of help. This suggests that they were not included in the preparation, let alone considered.“
The „Interessenvertretung Selbstbestimmtes Leben in Deutschland e.V. (ISL)“ is a human rights-oriented self-representation organisation and the umbrella organisation of the centres for self-determined living for persons with disabilities in Germany. It was founded along the lines of the US „Independent Living Movement“ in order to assert the self-determination of disabled people in Germany as well.
V.i.S.d.P. / legally responsible according to the press law: Maria-Victoria Trümper
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