Die Corona-Pandemie zu Beginn 2020 und der damit verbundenen notwendigen medizinischen Ressourcen zur Behandlung erkrankter Menschen brachte, auch weil man in Italien sah, dass triagiert wurde, bei behinderten Menschen die Frage auf — ob und wie sie diskriminierungsfreien Zugang zu knappen medizinischen Behandlungskapazitäten haben würden, sollte es zu der zugespitzten Situation in Deutschland kommen. Einige behinderte Menschen reichten im Sommer 2020 Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein.

Eine Handlungsempfehlung der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin — DIVI — zeigt anhand ihrer »Gebrechlichkeitsskala« auf, dass behinderte und ältere Menschen klar benachteiligt würden im Falle Triage. Am 28. Dezember 2021 hat das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss zu einer Beschwerde verkündet. Die Beschwerdeführer*innen hatten zurecht gerügt, dass behinderte Menschen in Situationen auf Intensivstationen, bei denen nur noch knappe intensivmedizinische Ressourcen wie Beatmungsplätze und Intensivbetten vorhanden sind, bei der Entscheidung, wer diese Ressourcen erhalten darf, massiv benachteiligt werden. Das Bundesverfassungsgericht gab ihnen Recht in seinem Entscheid und forderte die Bundesregierung auf, zeitnah Maßnahmen zu ergreifen, die Diskriminierungen von behinderten Menschen bei der Zuteilung knapper intensivmedizinischer Mittel gezielt entgegenwirken und verhindern. Der Beschluss war ein sehr wichtiger Schritt in eine positive Richtung, damit behinderte Menschen eine faire und gleichberechtigte Chance auf intensivmedizinische Versorgung bekommen, selbst in Fällen, bei denen entschieden werden muss, wer diese Ressourcen erhalten wird. Seit Frühling 2020 war die ISL gemeinsam mit weiteren Verbänden am Runden Tisch Triage mitbeteiligt. Es wurden gemeinsam Positionspapiere verfasst, Kampagnen ausgearbeitet und zusammen überlegt, wie das Dilemma in eine menschenrechtskonforme, diskriminierungsfreie Richtung gebracht werden kann.

Erste Entwürfe des zu schaffenden Gesetzes sorgten berechtigt für Empörung, die mangelhafte Art und Weise der Beteiligung machten es allen Beteiligten und Aktiven zudem schwer.

Dabei waren die Forderungen stets klar

  • bei Zuteilungsentscheidungen darf nicht diskriminiert werden, denn es gilt die Lebenswertindifferenz (kein Leben ist mehr wert als ein anderes)
  • der Weg hinzu einer Zuteilung muss diskriminierungsfrei gestaltet werden (Randomisierung)
  • bewusstseinsbildende Weiterbildungsinhalte zur UN-Behindertenrechtskonvention, Diversität und z.B. Ableismus, Ageismus müssen verpflichtend für (intensiv-)medizinisches Personal in Approbationsordnungen aufgenommen werden, um Vorurteilen und Stigmata gegenüber behinderten und älteren Patient*innen entgegen zu wirken.

Das finale Gesetz wird unseren Forderungen nicht gerecht. Weder sind Änderungen der Ausbildungs- und Studieninhalte mitaufgenommen worden, noch wird es dem Anspruch des Bundesverfassungsrechts gerecht, diskriminierungsfrei Ressourcen zu zuteilen. Nun bleibt abzuwarten, wann das Gesetz in seiner Form beim Bundesverfassungsgericht angefochten wird.

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