Berlin, 5. Mai 2025: Am 5. Mai finden seit mehr als 30 Jahren bundesweit Aktionen zum „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung“ statt. Dieses Jahr unter dem Motto: Neustart Inklusion. Ein Neustart ist angesichts der aktuellen gesellschaftlichen und politischen Herausforderungen dringend not-wendig! Wichtige Themen wie Inklusion, Barrierefreiheit und Gleichberechtigung geraten zunehmend aus dem Blickfeld von politischen Entscheidungsträger*innen. Inzwischen stehen sogar immer wieder Reformen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) im Raum, die zu massiven Einschnitten bei der Selbstbestimmung und Teilhabe von 10 Millionen Menschen mit Behinderungen führen würden. Unter dem Vorwand des Kostensparens strebt beispielsweise die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe (BAGüS) eine Re-Institutionalisierung behinderter Menschen an und möchte gleichzeitig die Entscheidung über die Unterbringung den Sozialhilfe- und Eingliederungshilfeträgern überlassen. Diese Denkart wurde inzwischen wiederholt von Politikerinnen unter dem Stichwort „Bürokratie-Abbau“, zum Beispiel jüngst bei Markus Lanz, wiederholt. Die pauschalierte Unterbringung von Menschen mit Behinderungen in einer Einrichtung wäre nicht nur eine klare Verletzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), sondern auch ein Bruch mit der Grundidee des BTHG.
Ähnlich beunruhigend sind zunehmend wahrnehmbare Ideen, Sonderwelten im Bereich der schulischen oder beruflichen Inklusion aufrecht zu erhalten oder gar ausbauen zu wollen. In diesem Sinne schockiert, bei allen zaghaften Bekenntnissen zu UN-BRK und Barrierefreiheit im Koalitionsvertrag, zum Beispiel die dort avisierte Förderung von Werkstätten für Menschen mit Behinderungen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe.
Solche Forderungen sind nicht nur ein sozialpolitischer Rückschritt – sie sind ein Angriff auf zentrale Menschenrechte und zeigen, wie inzwischen auch im Bereich der Rechte von Menschen mit Behinderungen das Gedankengut der extremen Rechten in der politischen Mitte angekommen ist.
Insofern geht es dieses Jahr beim Protesttag nicht nur darum, einen mutigen Paradigmenwechsel hin zu einer inklusiven Gesellschaft zu fordern: Die politischen Entwicklungen nicht nur im Ausland, sondern auch hierzulande bedrohen bereits errungene Rechte. Die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL) ruft alle Bürger*innen, die für ein würdiges, selbstbestimmtes und menschenrechtskonformes Leben von Menschen mit Behinderungen einstehen, auf, an Demonstrationen rund um den 5. Mai teilzunehmen. Die Demonstration in Berlin beginnt am 5. Mai um 11 Uhr am Brandenburger Tor und zieht von dort zum Roten Rathaus. Dort findet um 13 Uhr eine Kundgebung statt.
Die „Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland e.V. (ISL)“ ist eine menschenrechtsorientierte Selbstvertretungsorganisation und die Dachorganisation der Zentren für Selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen. Sie wurde nach dem Vorbild der US-amerikanischen „Independent Living Movement“ gegründet, um die Selbstbestimmung behinderter Menschen auch in Deutschland durchzusetzen.

V.i.S.d.P. Wiebke Schär